10. Mai 2016, 16:15-17:15 (EET) bzw. 16:15 EET – 18:15 (GET, Georgia Time = GMT+4)
Grenze Türkei – Georgien, Sarp/Sarpi, direkt an der Schwarzmeerküste.
Düstere Szenerie
Am Grenzübergang nach Georgien haben wir zwar auch Fotos geschossen, aber kein Gruppenfoto. Es war wohl der speziellste Grenzübergang der ganzen Rallye, mit einer schwer zu beschreibenden Atmosphäre. Es herrschte geschäftige Betriebsamkeit, großer Andrang und scheinbares Chaos in der Warteschlange auf der türkischen Seite. Von einer 4-spurigen Schnellstraße kommend, wurden wir von winkenden Männern auf die Uferstraße dirigiert, ans Ende der Warteschlange und zwischen LKWs und Bussen hin und her gelotzt. Waren das nun offizielle Einweiser, freundliche Reisende oder Leute, die einfach darauf warten, dass sich etwas ereignet? Keiner weiß es. Jedenfalls hatten diese Herren die Fahrzeugschlange perfekt im Griff.
Über allem noch ein tristes, trübes und drückendes Wetter, das uns schon den ganzen Tag begleitete und bestimmt seinen Anteil am düsteren Eindruck der gesamten Szenerie hatte.
Zu Fuß über die Grenze
Alle Beifahrer mussten die Autos verlassen, auch alle Fahrgäste von Bussen, und zu Fuß die Grenze überqueren. Es war gar keine so kurze Laufstrecke, der Grenzübergang in Sarpi hat schon ein gewisses Ausmaß. Bemerkenswert dabei, einen armbreiten Persönlichkeitsabstand scheint die Bevölkerung in dieser Gegend nicht zu kennen. In den Schlagen bei der Aus- und Einreise hatte man permanent wahlweise Körperkontakt zu anderen Wartenden oder ein fremdes Gepäckstück zwischen den Beinen oder in der Kniekehle. Nach dem Fußmarsch hinter der türkischen Ausreise ging man ein Stück neben den Autos her, getrennt durch Glasscheiben und Metallwände. Danach war die Straße zu queren und im georgischen Grenzgebäude liefen wir einen langen Gang entlang, bis wir zur deutlich längeren Einreise-Schlange kamen. Trotz der Wartezeit kamen die Fußgänger zeitgleich zu den PKWs auf der georgischen Seite an.
Ein sehr spezieller Grenzübertritt also, mit einem gewissen Flughafen-Feeling. Fotos waren hier leider nicht erlaubt.
Motordefekt mitten im Niemandsland?
Während Tom und ich bei der Einreise uns geduldig Gepäckstücke in die Beine rammen und durch diverse Körperteile den Rücken massieren ließen, konnten wir durch eine Glasscheibe in einigen Metern Entfernung die Autoschlange vor der georgischen Passkontrolle beobachten. Und dann dies: plötzlich gab es draußen eine riesen Rauchwolke – und in dieser Wolke rollte Hanni mit ihrem BMW. Hanni hatten wir erst wenige Stunden zuvor in unserem Team aufgenommen, da sich Team 30 bereits zum zweiten Mal gespalten hatte. Unser erster Gedanken „jetzt ist der Motor mitten im Niemandsland hochgegangen“ erwiesen sich zum Glück als unbegründet. Der BMW schaffte es trotz Rauch durch die Passkontrolle, die eindrucksvolle Rauchwolke stellte sich als Dampfwolke heraus und das Problem als nicht sehr dramatisch: Ein Leck in einer Kühlwasserleitung, dem sich durch gelegentliches Wasserauffüllen beikommen ließ. Der tags darauf entdeckte Riss, ließ sich leicht provisorisch flicken.
Keine KFZ-Versicherung
Um diesen Schaden zu Begutachten, hielten wir direkt nach georgischen Passkontrolle an. Um einen großen Asphaltplatz sammeln sich dort diverse kleine Läden, ein Kasino, Geldautomaten usw. Hier wollten wir uns ohnehin auf die Suche machen, um eine KFZ-Versicherung für Georgien abzuschließen. Im Ausland kann diese nicht erworben werden. Laut vorangegangener Whatsapp-Chat-Info von einem anderen Team, würde es die Versicherung direkt an der Grenze geben. Die Suche blieb jedoch erfolglos, so dass wir, genau wie alle anderen Teams, die wir an der Grenze trafen, ohne Versicherung weiterfuhren.
Exkurs – unversichert
Tags darauf hatte ein Team bei der Versicherungssuche in Batumi Erfolg. Ein Versicherungsbüro bot die Police an, wollte dafür jedoch 60 US-Dollar haben. Wir entschieden uns mehrheitlich gegen den Abschluss einer Versicherung. Die maximalen Deckungsbeiträge liegen bei 5.000 oder 10.000 US-Dollar. Die Abwicklung eines Unfalls in Georgien ohne Versicherung macht allerdings keinen Spaß.
Das musste eines der Rallye-Teams erfahren, die mit einem ungewöhnlich neuen Fahrzeug eines Georgiers zusammenstießen. Die Polizei war schnell zur Stelle und beschlagnahmte Auto und Gepäck. Das Team durfte erst nach 3 Tagen seine Reise fortsetzen, als der Unfallgegner bestätigte, dass alles geklärt sei. Die 3 Tage waren wohl auch dem großen Glück geschuldet, dass dieses Team jemanden traf, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der den Polizeipräsidenten kennt. Wer weiß, wie diese Geschichte sonst ausgegangen wäre.
Wolle Auto kaufe!
Unsere Autos stellten wir an diesem Platz direkt vor den massenweise parkenden Taxen ab. Während Tom das Kühlwasserproblem unter die Lupe nahm, scharten sich immer mehr Georgier um unsere Autos (Taxifahrer und Nicht-Taxifahrer) . Sie schienen einerseits einfach interessiert, aber auch ein gewisses Interesse an diversen Teilen zu haben. Interesse an unserer Rallye gab es im Gegensatz zur Türkei, überhaupt nicht. Stattdessen wurde auf die Motorhauben geklopft und auf Smartphones mit altertümlich wirkenden kleinen Displays, wurde in der Taschenrechner-App „500“ eingetippt. Das klare Signal: „Ich gebe Dir 500€ für Deinen Wagen!“. Sämtliche Beteuerungen, dass wir die Autos noch für einige tausend Kilometer Strecke benötigen und diese sowieso gespendet würden, halfen nichts. „700 Euro!“ war die klare Antwort.
Eine Versicherung war nicht zu holen, das Kühlwasserproblem halb so wild, die Taxifahrer forderten immer vehementer, dass wir sie nicht zuparken sollen. Wir stellten unsere Uhren um 1 Stunde vor und mit einem ersten, intensiven Eindruck von Georgien, machten wir uns aus dem Staub. Ziel: Batumi.